An die Delegierten des SPD-Bundesparteitags 11.-13.11.2009 in Dresden

Erklärung des SPD-Ortsvereinsvorstands Frankfurt/M.-Nordweststadt-Süd
vom 3. November 2009

Der Vorstand des SPD-Ortsvereins Nordweststadt-Süd diskutierte auf seiner Sitzung am 3. November 2009 – vor dem Hintergrund von weiteren Diskussionen im Oktober – nochmals über das katastrophale Wahlergebnis der Bundestagswahlen vom 27. September 2009 im Hinblick auf die Konsequenzen für den SPD-Bundesparteitag.
Der Ortsvereinsvorstand ist einhellig der Meinung, dass der Verlust von 10 Mio. (der Hälfte der) Wählerstimmen – seitdem 1998 die SPD ein Mandat erhalten hat, die Politik der Regierung Kohl abzulösen – für die SPD die Notwendigkeit aufwirft, eine schonungslose Bilanz der Politik der SPD in den letzten elf Jahren einschließlich der politischen und personellen Konsequenzen daraus zu ziehen, um die traditionellen Wählerinnen und Wähler, insbesondere die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Jugend, die eine politische Interessenvertretung brauchen, wieder zurückzugewinnen.
Der Ortsvereinsvorstand war einhelliger Meinung, dass die einzige Lösung darin bestehen kann, den politischen Kurs der Partei des „Weiter so“ sofort zu stoppen und zu einer Politik der sozialdemokratischen Grundwerte wie Arbeit, Frieden, Bildung und soziale Gerechtigkeit zurückzukehren.
Der SPD-Ortsverein fordert die Delegierten zum SPD-Bundesparteitag auf, den vorliegenden Leitantrag des SPD-Parteivorstands – auch mit den Korrekturen – abzulehnen.
Nach diesem desaströsen Wahlergebnis, bei dem die NichtwählerInnen zur stärksten politischen Kraft geworden sind, kann nicht an erster Stelle stehen: „Wir blicken auf elf Jahre zurück, in denen wir in Deutschland erfolgreich Regierungsverantwortung übernommen haben.“ (Leitantrag)
Im Namen einer „modernen“ und „zukunftssichernden“ Wirtschafts- und Sozialpolitik wurden unter der Regierung Schröder und im Rahmen der Großen Koalition Paradigmenwechsel politisch durchgesetzt, die traditioneller sozialdemokratischer Politik widersprechen und die es nicht vermochten, die Arbeitslosigkeit wirklich zu reduzieren, den Anstieg der Kinder- und Altersarmut zu stoppen oder die dramatische Entwicklung zur Ausweitung des Billiglohnsektors und die Absenkung der Tariflöhne zu verhindern
– im Gegenteil: die Politik der SPD in der Regierung in den letzten elf Jahren hat diese Entwicklungen verstärkt:
+ Die Lohnorientierung der Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und die Verpflichtung zur Arbeit eingeführt.
+ Die Einführung eines privaten Standbeins der Rentenversicherung („Riester“) hat der Privatisierung der Sozialversicherung die Tür geöffnet, deren Konsequenzen (Altersarmut) mit der Verlängerung des Renteneintrittsalters (Rente 67) absehbar sind.
+ Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung wurde über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Zahnersatz ausgehebelt. Durch die verstärkte Selbstbeteiligung der Patienten und die Schaffung des Gesundheitsfonds sind weitere Schritte in Richtung Abschaffung der paritätischen Finanzierung gemacht worden und erlauben der schwarz-gelben Regierung den endgültigen Ausstieg und damit die Zerstörung des solidarischen sozialen Sicherungssystems.
+ Der Druck der Regierung Schröder auf die Gewerkschaften zur „Reform“ des Flächentarifvertrags BAT, die Zulassung der Ausweitung der Leiharbeit, die „Ein-Euro-Jobs“ haben zur Zersetzung der Flächentarifverträge und die Entwicklung von Billiglohnsektoren geführt.
+ Die „Großen Steuerreformen“ unter Eichel haben die soziale Schieflage, die Umverteilung von „unten“ nach „oben“ vorangetrieben.
+ Die Finanzmarktreformen haben die Spekulation ermöglicht, steuerlich befreit und damit gefördert und sind mit verantwortlich für die Finanzkrise.
+ Die Regierung Schröder / Fischer hat den Einsatz der Bundeswehr im Ausland hoffähig gemacht und Deutschland wieder in den Krieg geführt.
Diese Gesamtpolitik der SPD in der Bundesregierung ist trotz einiger „Korrekturen“ wie die Einführung von Mindestlöhnen und Ausweitung von Kurzarbeit bestimmend.
Diese Gesamtpolitik ist von den Menschen abgewählt worden!!
Dabei haben die Wählerinnen und Wähler der SPD nochmals eine Chance gegeben haben, da sie in ihrer überwiegenden Mehrheit sich der Stimme enthalten haben. Die „Partei der Nichtwähler“ ist nun auch auf Bundesebene die stärkste „Partei“.
Um die traditionellen Wählerinnen und Wähler, insbesondere die ArbeitnehmerInnen und die Jugend für die SPD zurückgewinnen zu können, muss die SPD wieder ihre politische Interessenvertretung werden. Das verlangt angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass die SPD an vorderster Front ein Programm zum Schutz der Mehrheit der Bevölkerung, der ArbeitnehmerInnen – sei es in oder ohne Arbeit, sei es in Ausbildung oder in Rente -, zum Schutz der Arbeitsplätze und Kaufkraft sowie für soziale Gerechtigkeit und Frieden gegen die Angriffe der schwarz-gelben Regierung und die Krise entwickelt.
Wir fordern daher die SPD-Delegierten zum Bundesparteitag auf, den Leitantrag abzulehnen und den Weg frei zu machen für eine gründliche Debatte innerhalb der Partei und mit den SPD-WählerInnen und den ehemaligen SPD-Mitgliedern über die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis und Perspektiven sozialdemokratischer Politik auf deren Grundlage ein Programm für das politischen Handeln der SPD und auch eine glaubwürdige – nämlich aus der Debatte hervorgehende – Parteiführung gewählt wird.

Der SPD-Ortsvereinsvorstand
Frankfurt-Nordweststadt-Süd
3. November 2009
Gez. Michael Altmann, Vorsitzender

(siehe auch Rudolf Dreßler zum Basis-Ratschlag in Kassel)

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